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Seepferdchen im Waldbaden – Ein Spaziergang im Winterwald

Seit ungefähr zwei Jahren trendet das Waldbaden oder auch Waldatmen in Deutschland. Es beschreibt ein bewusstes Abschalten im Wald, ein Untertauchen in der Atmosphäre des dichten Waldes, wenn man so will. Unter dem Namen Shinrin-yoku ist es seit vielen Jahrzehnten Teil der asiatischen Gesundheitsvorsorge. Dabei geht es nicht um die sportliche Ertüchtigung im adretten Goretex Outfit, sondern viel mehr um eine langsamere Erkundung des Waldes.

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Der nasse Waldboden sorgt für einen herrlichen Duft.

Warum finden wir Wald "schön"?

Abgesehen von Kindern, die von Ihren Eltern oder Großeltern zu einem Waldspaziergang gezwungen werden – ja wir erinnern uns alle an die Begeisterung – empfindet vermutlich jeder Mensch wohlgefallen, wenn er durch das dichte Grün streift. Doch was ist eigentlich das Faszinierende an der Natur? Es gibt viele Herrleitungen, von der Farblehre über die Ursprünge des Homo Sapiens in der grünen Tundra, doch der Artikel Spring von Hella Kemper gibt die für mich kompakteste Erklärung über die sechs von der Psychologin Anja Göritz aufgestellten Prinzipien, welche die menschliche Erfahrung eines Ausflugs in die Natur beschreiben.

Selbstbestimmtheitsprinzip

Du triffst die bewusste Entscheidung, dir eine kleine Auszeit zu nehmen. Handy aus, Augen auf.

Abwesenheitsprinzip

Im Wald herrscht kein Stress oder Lärm, auch Abgase, Feinstaub und sonstige Luftbelastungen werden effektiv gefiltert. Du kannst durchatmen und frischen Sauerstoff genießen.

Überraschungsprinzip

Das Einlassen auf die Natur birgt viele Überraschungen. Natürliche Reize stimulieren unser Gehirn und bringen dich auf andere Gedanken.

Kontrastprinzip

Das bewusste Entfernen aus der gewohnten Umgebung führt zwangsläufig zum Umdenken. Probleme oder Stress scheinen weniger akut.

Ehrfurchtsprinzip

Der Anblick großer Wälder führt unweigerlich zum Aufkommen einer inneren Ehrfurcht und du nimmst dich selber nicht mehr so wichtig.

Ermächtigungsprinzip

Ein kleines Abenteuer in der Natur stärkt dein Selbstbewusstsein! Selbst kleine Herausforderungen wie das Balancieren auf einem Baumstoff können dir neue Kraft geben.

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Modrig duftendes Moos - die natürliche Green wall

Pack die Badehose ein, wir gehen Waldbaden.

Streifen wir uns also die wasserfeste Jacke über, zurren die Schnürsenkel der alten Sneaker fest und ziehen unserem Hund das Warnhalsband an – sicher ist sicher. Das ist wohl das Maximum an Vorbereitung, das man für einen Spaziergang im Wald benötigt. Vermutlich müsst ihr nun noch ein paar Minuten Bahn oder Auto fahren, um einen adäquaten Wald zu finden, denn Stadtwälder sind nur in Maßen zum Waldbaden geeignet. Das ist so ein bisschen wir der Vergleich von Skihalle zu Gletscherpiste, aber das ist ein anderes Thema.

Im Wald angekommen ist erstmal eines wichtig: Tief einatmen und den Stadtstaub aus der Lunge pusten. Danach geht es an die Wegfindung. Je nachdem, wer bei uns die Routeplanung übernimmt, setzen wir hier auf die Einfach-drauf-los- oder GPS-Track-Download-Methode. Für alle Fälle haben wir aber auch unseren Spürhund dabei.

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Unser Hund Mimi im waldtauglichen Outfit

Und dann heißt es einfach laufen und genießen. Wer es etwas abenteuerlich mag, kürzt die Strecke ab und zu querfeldein ab, kühlt seine Hände im plätschernden Bach und steckt die Nase tief ins Moos. Auch zu empfehlen: Eine 10 Minuten Runde Mediation auf dem Waldboden sitzend. Wirklich beeindruckend, was für eine Soundkulisse entsteht, sobald man mal still die Augen schließt.

Doch auch ohne bewusste Entspannungstechniken wirkt die Magie des Waldes schon nach wenigen Minuten. Durch das Spazieren kommt nicht nur das Herz-Kreislauf-System in Wallungen, die sauerstoffreiche Luft sorft auch für einen freien Kopf und effektiven Stressabbau. Sogenannte Phytonzide, also Wirkstoffe die Pflanzen zur Verteidigung vor Schädingen nutzen, sollen auch das eigene Immunsystem stärken. Ob das nun stimmt oder nicht, ein gutes Gefühl gibt der Waldpazierung allemal.

Falls ihr Lust auf ein paar längere Touren habt, dann findet ihr Wanderrouten z.B. auf Wanderkompass.de. Das Finden der tatsächlichen Routenbeschreibung ist zwar ganz schöne Klick-Arbeit, schlussendlich findet man aber recht schön bebilderte Etappen und genaue Streckenangaben.

Also los, ab in den Wald und selbst ausprobieren! :)

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Die Nase dicht an den Boden und tief Luft holen.